WIE WIRKLICHE NÄHE MÖGLICH WIRD...
Ohne seine Sehnsucht nach Nähe wäre der Mensch längst ausgestorben.
Die Menschen suchen seit Urzeiten nach Verschmelzung. Auch die anderen Kreaturen dieses Planeten erfreuen sich dieses sehnsüchtigen Drangs, sich mit dem (meist) gegensätzlichen Geschlechtspart zu vereinigen. Dieses oft heiße Begehren ist in der Natur selbstverständlich und kommt zur Paarungszeit ins volle Erblühen. Der Mensch hat aber dieses auf die Fortpflanzung gerichtete Werben weiterentwickelt. Ihm geht es um mehr, als nur die Nachkommenschaft. Er sucht die Nähe zum Gegenüber in geistiger, seelischer und körperlicher Verschmelzung.
Spaß am Sex? Den haben die Menschen wohl erst im zwanzigsten Jahrhundert kennengelernt. Zuvor war die Frau dem Mann vollkommen ausgeliefert und galt als Eigentum ihres Ehegatten. Sehnsucht nach Nähe empfanden die Frauen eher nicht, denn die meisten Männer nahmen sich einfach, was sie wollten und das, wenn nötig, mit Gewalt. Für viele Frauen, ganz gleich aus welcher Gesellschaftsschicht sie stammten, wurde der Geschlechtstrieb des Ehemannes häufig als gewalttätige Tortur erlebt. Darüberhinaus fürchteten sie sich vor einer Schwangerschaft, die häufig als bedrohlich erlebt wurde und den Körper schwächte. Selten wurde auf schwangere Frauen Rücksicht genommen und die Kinder, die tatsächlich das Licht der Welt erblickten, hatten mehr Schattenseiten zu erwarten, als freudvolle Aspekte.
Es waren dunkle Zeiten, mal mehr, mal weniger. Alle Menschen erlebten diese Zeiten als Begrenzung, natürlich auch die Männer. Wir haben alle schon Filme gesehen, wie „Die Päpstin“, „Der Medicus“ oder „Die Säulen der Erde“ und mussten erschauern bei all dem Leid, dass diese Menschen erlitten. Jedoch sind es wohl die Frauen und Kinder, die seit Jahrtausenden dem Manne vollkommen ausgeliefert waren und das größte Paket Leid schultern mussten. In manchen Ländern und Kulturen bis heute. Jedoch gab es auch zu allen Zeiten liebevolle, rücksichtsvolle Männer mit Weitblick, Klugheit und Zärtlichkeit im Herzen. In solchen geschützten Räumen gediehen dann auch die Blumen der wirklichen Nähe: wahre Liebe und Vertrautheit.
Das Schamgefühl und die Unsicherheit der Mutter ging oft auf die Tochter über.
Viele Frauen gaben ihre Scheu und Abneigung gegen die sexuelle Vereinigung und das Gebären von Kindern an ihre Töchter weiter. Demzufolge war der Sexualakt auch noch vor hundert Jahren für die Frau eher negativ behaftet. Die erste Nacht wurde in der Regel als Schock erlebt und riss die Mädchen aus sämtlichen romantischen Träumen. Der Mann verstand die sexuelle Vereinigung mehr als Zerstreuung und körperliche Befriedigung, als ein Akt von wirklicher Nähe und zärtlicher Verschmelzung. Außerdem: Welcher Mann kann den Sex schon genießen, wenn seine Partnerin voller Widerstand, Ekel oder gar Angst ist?
Die Mädchen wurden von kleinauf so erzogen, dass Nacktheit etwas Sündiges und Verbotenes ist. Auch fehlte es zumeist an Aufklärung über dieses sensible Thema. Die jungen Ehefrauen waren deshalb häufig total verängstigt, eingeschüchtert, voller Scham und Unsicherheit. Oftmals lehnten sie ihren eigenen Körper vollkommen ab. Die sexuelle Vereinigung galt weitestgehend als Recht des Mannes und die Frau hatte die Pflicht, sich dem zu fügen.
Noch 1950 war es verpönt, wenn eine Frau die Nähe zu einem Mann suchte.
Sogar noch in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es eine strenge Rollenverteilung. Zuneigung und Liebesbekundungen wurden nur bei Ehepaaren toleriert. Gleichgeschlechtliche Liebe galt als Straftat und wurde rechtlich verfolgt. Frauen, die sich scheiden lassen wollten, wurden nicht selten als hysterisch abgestempelt und in eine Nervenheilanstalt eingewiesen. Die Kirchen unterstützten die gesellschaftliche Sichtweise, wenn sie nicht sogar die eigentlichen Urheber dieser begrenzenden Sichtweise waren.
Frauen, die Männern schöne Augen machten oder auf die Avancen eines Mannes eingingen, wurden bei Bekanntwerden als Flittchen abgestempelt und geächtet. Die Kinder dieser Frauen erhielten nie die Möglichkeit ein normales Leben zu führen. Wie Pech klebten die Etiketten „Hurensohn“ und „Bastard“ an ihnen. Die Eltern wachten deshalb mit Argusaugen über ihre Töchter, auch, weil sie in ihrem Unwissen und ihrer Unschuldigkeit einer großen Gefahr ausgesetzt waren. Die meisten Mädchen hatten noch nie einen nackten Körper betrachtet, außer heimlich im Lexikon. Die eigene Nacktheit anzuschauen galt als Sünde.
Meine Mutter hat mir noch oft erzählt, wie sie selbst diese Zeit erlebt hat. Sie kam aus einem besonders streng behüteten Elternhaus. Ihr Vater achtete darauf, dass sie keinen falschen Umgang hatte. Mit 20 Jahren galt man noch als minderjährig und hatte das zu tun, was die Eltern bestimmten. So durfte sie nicht öffentlich zum Tanzen gehen. Vergnügungen dieser Art waren ihr nur innerhalb eines geschützten Raums gestattet. Sie war Mitglied eines Rudervereins. Dort gab es natürlich auch sportlich-kameradschaftliche Berührungspunkte mit jungen Männern, die allerdings nicht viel mit körperlicher Nähe zu tun hatten. Trotzdem genossen es die jungen Menschen einander zu begegnen. Nicht nur die Eltern und Lehrer achteten auf sittlichen Umgang, auch die Aufsichtspersonen und Trainer waren sich dieser Verantwortung bewusst. Und dennoch gab es nach einiger Zeit einen Lichtblick, auf den sich alle freuten. Es gab ein Karnevalsfest, das vom Verein ausgerichtet wurde.
Die Regeln von Sittlichkeit und Moral schützten die jungen, unwissenden Mädchen und Frauen.
Meine Mutter erlebte einen aufregenden Abend mit Tanz, netten Gesprächen und alkoholfreier Bowle. Hans, ein netter junger Mann mit besten Absichten, brachte sie nach Hause. Im Toreingang küsste er sie zum Abschied auf den Mund. Meine Mutter genoss diese Nähe mit unzähligen Schmetterlingen in ihrem Bauch. Bis über beide Ohren verliebt, schlich sie ins Haus und ging unbemerkt in ihr Zimmer. Über der Waschschüssel wusch sie ihr Gesicht und schrubbte besonders ausgiebig ihre Lippen. Als sie zu Bett ging, nahm sie ihr Tagebuch und schrieb: „Heute habe ich meinen ersten richtigen Kuss bekommen. Ich zittere jetzt noch, so schön war das. P.S.: Hoffentlich bin ich jetzt nicht schwanger.“
Dass viele junge Frauen dieser Zeit Schwierigkeiten hatten, sich einem Mann lustvoll hinzugeben, ist rückblickend betrachtet wohl verständlich. Sie hatten oft überhaupt keine Ahnung, auf welche Weise ein Kind zustande kam.
Dennoch konnten die Moralprediger und Sittlichkeitsapostel den Wandel, der bereits überall spürbar war, nicht aufhalten. Eine neue Denkweise bahnte sich ihren Weg und rüttelte an den jahrtausendealten Vorstellungen der Menschheit. Die Säulen des Patriarchats, bzw. der Androkratie gerieten endlich ins Wanken und gaben den Weg frei für eine ganz und gar neue Sichtweise: Liebe, Gleichberechtigung und Frieden auf Erden.
Die Hippies als Vorreiter für ein neues Bewusstsein voller Liebe und Akzeptanz.
Obwohl es immer noch die strengen Reglements gab, die wie in Stein gemeißelt schienen, entwickelte sich die sexuelle Revolution und befreite letztlich die Menschen von falscher Moral, Schamgefühl und schlechtem Gewissen.
Vorläufer für den heutigen Bewusstseinswandel war die Flower-Power-Ära, die in Amerika ihren Anfang nahm und sich allmählich auf Europa auswirkte. Ja! Hier ging es endlich um Nähe, um wirkliche Nähe und das in allen Bereichen: körperlich, geistig und seelisch. Die jungen Menschen stellten das bisherige System infrage und sprachen sich auf allen Ebenen gegen Krieg, Ungerechtigkeit, Apartheid und Unterdrückung aus. Sie proklamierten „Liebe“ als einzige Kraft, die diese Welt verwandeln kann.
Ihr Slogan: MAKE LOVE – NOT WAR
Es ging um Gleichberechtigung, Akzeptanz, Toleranz, Frieden, Annahme und Freiheit. Und das auf allen Ebenen.
- Lebensweise
- sexuelle Ausrichtung
- Weltanschauung
- Bildungsgeschehen
- Herkunft, Hautfarbe, Kultur, Traditionen
- Religionsausübung
- Natur, Fauna und Flora
Es muss den Außenstehenden, den Regeltreuen und Moralpredigern wie eine riesige Lawine aus Verrückten und Sittlichkeitsbrechern vorgekommen sein, eine Schande und ein Angriff auf das bisherige System aus Ordnung, Pflicht und Rechtschaffenheit. Die Hippies wurden beschimpft und verjagt.
Aber wer kann so viel Liebe letztlich etwas entgegensetzen? Sogar im Kontakt mit ihren Gegnern blieben die Friedensbotschafter liebevoll und ruhig. Es war die friedlichste Revolution aller Zeiten.
Ist es durch die sexuelle Freiheit zu wirklicher Nähe gekommen?
Heute ist das Sehnen und Drängen der Hormone und Gefühle überall sichtbar. Ist das denn wirkliche Nähe oder doch nur ein Pseudogespinst? Die sexuellen Auswüchse fallen uns sozusagen wie Balken ins Auge. Was würden wohl unsere Ur-Großeltern dazu sagen? Sodom und Gomorrha? Vielleicht muss das Pendel zunächst von der einen Extremität in die andere schwingen, bevor eine Harmonisierung möglich ist. Mir scheint es, als würde die Gesellschaft mit ihrer sexuellen Freiheit noch nicht viel anzufangen wissen. In allerlei Bereichen tanzt noch das Ego einen irrsinnigen, oberflächlichen Tanz. Worum ging es gleich noch? Ach ja, um Nähe. Und die finden wir in
- Nacktbars?
- Bordellen?
- unseren Seitensprüngen?
- der Pornobranche?
- Swingerclubs?
- den Medien?
- der Modewelt?
- dem Berufsleben?
- exzessivem Freizeitvergnügen?
Nichts gegen das Vergnügen an sich, aber kann uns diese oberflächliche Ablenkung wirkliche Nähe bringen? Ist es nicht eine Illusion, dass uns das Streben nach Besonderheit und Selbstdarstellung glücklich macht? Ist dies ein Weg, uns selbst und anderen Liebe und Anerkennung zu schenken? Die Arztpraxen und Therapieplätze sind voll von unglücklichen, depressiven Menschen. Der Bedarf an Psychotherapie, Sexualberatung und Personal Coaching ist so hoch, wie nie zuvor. Wieviele dieser Menschen haben, wie Tim Thaler, ihr herzliches Lachen für Firlefanz und Flitter verkauft und damit das Leuchten ihrer Seele gleich mit? Nicht wenige Umstände in der Gesellschaft zeugen von dem verzweifelten Drang nach Erfüllung und seinen Stolpersteinen, ja, den schwarzen Löchern, in die entmutigte und enttäuschte Menschen fallen, wenn sie versuchen, das zu finden, wonach sie sich wirklich sehnen.
Um wahre Verschmelzung zu erfahren, ist es erforderlich, authentisch zu sein.
Im Grunde wollen wir also miteinander verschmelzen. Eins werden.
Genau darum dreht sich die Welt. Und? Sind wir Menschen jemals ganz und gar erfüllt, wenn wir verliebt sind? Es scheint so. Zumindest für Augenblicke. Die Zeit steht still und vermittelt uns die Illusion, diesmal den Richtigen/ die Richtige gefunden zu haben. Doch nach einem gewissen Zeitraum stellt zumindest einer von beiden fest, dass der andere ihn nicht glücklich machen kann. Ja! Man kann zusammen leben, das Beste draus machen und sich zusammenraufen. Man kann Kompromisse schließen, sich etwas vormachen und nebeneinander her leben. Der Zug, der ins Glücklichsein führt, ist scheinbar längst abgefahren. Oft trennen sich die Partner genau an dem Punkt, wenn sie das zu erkennen glauben. Ich behaupte aber, der Zug ist noch nicht einmal losgefahren. Das, was dich bisher mit deinem Partner verband, war KEINE LIEBE, sondern die Illusion davon.
Was sich hier spiegelt, ist das weitverbreitete Unvermögen, sich selbst mit Liebe und Wertschätzung zu begegnen. Wenn wir keine gute Beziehung zu uns selbst haben, wie sollen wir dann je eine mit einem anderen Menschen haben? Wir misstrauen unseren eigenen Entscheidungen, zweifeln an uns, belügen und betrügen uns selbst und stellen unser Licht unter den Scheffel. Und da erwarten wir, dass sich ein anderer Mensch uns gegenüber vollkommen öffnet und uns mit Liebe und Anerkennung überschüttet?
Machen wir uns einmal bewusst, dass die meisten Menschen ihren Partner noch nicht einmal kennen. Sie sehen nur das Bild, das sie sehen wollen- nicht aber das authentische Wesen, das hinter diesem Bild verborgen ist. Häufig sind die Paare zehn, zwanzig Jahre zusammen, manchmal ein ganzes Leben, ohne seiner eigenen tiefen Präsenz oder der des anderen jemals begegnet zu sein. Wie auch, wenn man nichts Echtes von sich preis geben will?
Wer sich mit all seinen blinden Flecken und Schattenseiten zeigt, beweist Mut, Vertrauen und Erhabenheit.
Eine solche Haltung wird immer belohnt. Sie ist ein Hinweisschild für den anderen, sich ebenso vertrauensvoll öffnen zu dürfen, ohne verletzt zu werden. Authentizität muss vorgelebt werden, damit andere den Mut entwickeln, ihre eigenen Türen weit zu öffnen.
Wenn wir uns also von der Angst befreien, dass wir uns blamieren, eine schlechte Figur machen oder ausgelacht werden könnten, wird wahre Verschmelzung möglich. Dann können wir gemeinsam einen Weg einschlagen, der in unsere innere Welt führt und immer tiefer und befriedigender wird. Dann sind wir wie Kinder: offen, frei und voller Vertrauen. An dieser Stelle beginnt Freiheit von Urteil, Schuldzuweisung, Schamgefühl und Misstrauen. Es entsteht ein phantastischer Garten von himmlischer Pracht, in dem Kreativität, Inspiration und großartige Ideen blühen.
Ein solche Beziehung erlaubt es den Beteiligten, sich selbst, aber auch den anderen zu erforschen und eine tief befriedigende Liebe zu entdecken, die nicht von dieser (trennenden) Welt ist.
Wirkliche Nähe wird also möglich, wenn wir
- uns überwinden, diesen neuen, unbekannten Weg einzuschlagen
- bereit sind, das volle Wachstumspotenzial auszuschöpfen, das darin enthalten ist
- voller Vertrauen, Hingabe, Offenheit, Ehrlichkeit und Authentizität sind
- uns trauen, unsere Ängste und dunklen Flecken anzuschauen
- den Mut haben, sie auch dem anderen vertrauensvoll zu zeigen
Wenn ein Paar die Sinnlosigkeit seiner Beziehung begreift, öffnet sich eine Tür, die wahre Verschmelzung möglich macht.
Robert Betz, ein deutscher Coach und Autor verglich in einem Vortrag ein verliebtes Paar mit zwei Bettlern, die sich begegnen. Jeder glaubt von dem anderen, dass er etwas in der Tasche habe, das ihn glücklich machen könnte. Nach einiger Zeit greifen sie in die Tasche des anderen und erkennen, dass sie genauso leer ist, wie die eigene. Roberts Fazit: „Oft werden diese Menschen zusammen unglücklicher, als sie es allein je geworden wären.“
Wenn jedoch einer der Beteiligten bewusst und achtsam ist, kann eine noch so unbequeme Partnerschaft eine phantastische Schule sein. Der andere spiegelt uns nämlich immer unsere eigenen Defizite und unbewussten Baustellen. Ich habe inzwischen gelernt, genau hinzuschauen. Natürlich ärgere ich mich auch im ersten Moment, wenn mein Mann mal wieder einen empfindlichen Nerv bei mir trifft. Jedoch ziehe ich mich dann unverzüglich zurück, um meinem aufkommenden Widerstand achtsam und liebevoll zu begegnen.
Meinem Mann sage ich nur kurz: „Schatz, ich muss mich mal eben um mich selbst kümmern. Deine Worte haben einen seltsamen Schmerz in mir berührt. Den muss ich jetzt allein betrachten.“ Oben in meinem Büro habe ich einen gemütlichen Ledersessel mit vielen Kissen, in dem ich mich dann vollkommen entspanne. Die schmerzhaften Emotionen sind noch frisch und ich gebe ihnen noch mehr Raum, sein zu dürfen. Ich atme ich in sie hinein und fühle sie solange wertschätzend, bis sie kleiner und kleiner werden. Dabei erkenne ich, welche unbewussten Glaubenssätze diese Emotionen hervorgerufen haben und kann sie transformieren. Genau das verändert mich, meinen Partner und letztlich auch unsere Beziehung.
Widerstand ist keine Option, sondern innerer Krieg und Selbstverstümmelung.
Die meisten Menschen entwickeln gegen unliebsame Ereignisse nichts als Widerstand. Genau dieses Verhalten solltest du aber unterlassen, wenn du deine Probleme auflösen willst. Gegenwehr und Abneigung halten dich in der Situation gefangen, in der du nicht sein willst. Wenn eine Beziehung unerträglich zu sein scheint, gibt es drei Möglichkeiten: Du
- veränderst dich aktiv durch Selbstreflexion und Hingabe
- ziehst einen Schlussstrich und verlässt deinen Partner
- belässt alles beim Alten und akzeptierst dein Unbehagen
Die letzten beiden Varianten habe ich in meinem Leben schon mehrmals ausprobiert. Vor einiger Zeit habe ich entschieden, nur noch mit der ersten Variante zu verfahren. Es kann sehr erhellend sein, die gespiegelten Anteile des eigenen Partners als Lehrer zu betrachten. Denn egal, wo die Reise mit ihm hingeht, du wirst in jedem Fall wachsen, lernen und Bereicherung erfahren.
Der andere hat immer die Möglichkeit, sich dieser Betrachtung anzuschließen oder es sein zu lassen. Seine Wahl hat NICHTS mit dir zu tun. Veränderung und Wachstum sind dennoch für beide möglich. Denn, wenn du dich veränderst, wandelt sich auch immer das System, in diesem Falle die Beziehung, in der du lebst.
Erst dann kann es wirklich um Nähe gehen. Erst dann ist Verschmelzung überhaupt möglich und das weit weniger mit deinem Partner, als mit dir selbst.
Was sich hinter der Sehnsucht nach wirklicher Nähe tatsächlich versteckt:
Es mag dir seltsam erscheinen, aber du brauchst deinen Partner und all die Beziehungen um dich herum, um dich selbst zu erkennen. Letzten Endes geht es nicht um die Verschmelzung mit einem Menschen, sondern MIT DEINER INNEWOHNENDEN GÖTTLICHEN PRÄSENZ.
Es geht um Selbsterkenntnis.
Du selbst bist deine größte Sehnsucht, die größte Liebe deines Lebens. Wir alle sind eins und haben den gleichen Ursprung. Jeder einzelne von uns ist eine Ausdehnung der allumfassenden Göttlichkeit, quasi ein Aspekt Gottes. Ob du diese Kraft nun Gott nennst, das Große Ganze, großer Geist, Quelle, Atman, Universum, großes Feld oder wie auch immer, ändert nichts an der Tatsache, dass wir KEIN ZUFÄLLIGES PRODUKT DER NATUR SIND, SONDERN ABSICHTSVOLL ERSCHAFFEN WURDEN. Wir sind in unserer Essenz rein geistig, Energie, wie unsere Quelle. Und diese Energie ist das einzige, was es gibt.
WIR SIND KEINE KÖRPER. Die meisten Menschen halten sich allerdings für einen. Sie identifizieren sich so sehr mit diesem, dass sie ihren Ursprung vergessen haben. Als Babys wussten wir noch um unsere Herkunft. Nicht jeder ist dem christlichen Glauben zugetan; er ist ja auch nur ein Weg von vielen. Sie alle aber führen letztlich zum Ziel. Auch, wenn ich der Kirche nicht zugewandt bin, halte ich das christliche Bild vom VATER und SEINEM SOHN für überaus hilfreich, solange man nicht den kirchlichen Interpretationen folgt, sondern die eigene spirituelle Intelligenz anwendet. Dann nämlich kann man sehr gut erfassen, was Gott ist und was wir Menschen sind. Jedes traurige, sehnsüchtige Liebeslied, das du hörst, erzählt dir von dem verzehrenden Bedürfnis, dich als ein Sohn-Aspekt wieder deines VATERS zu erinnern.
Mir fiel es lange nicht leicht, die Worte: Gott, Jesus Christus oder Heiliger Geist überhaupt auszusprechen.
Bereits als Kind war ich ein Sinnsucher. Und das kam so: Eine außerkörperliche Erfahrung im Krankenhaus bescherte mir als Zweijährige eine erhellende, tief berührende Erfahrung. Als ich aus meinem Körper katapultiert wurde, erfuhr ich eine unermessliche Liebe, die als eine Art innere Führung bei mir blieb. Während ich heranwuchs, betete meine Mutter mit mir abends und erzählte mir auf einfache Art von Gott und seiner unermesslichen Liebe. Ich war mir sicher, dass dieser Gott und meine lichtvolle innere Stimme eins waren. Als ich zur Schule kam und Religionsunterricht hatte, dachte ich zunächst, dass der Kirchengott derselbe ist, wie der, den ich erfahren hatte. Doch nach einer gewissen Zeit ließ ich den Gedanken los. Ein Gott, der strafte, tausend Regeln aufstellte, ein Gericht einberief und Menschen in die Hölle warf, das konnte nicht mein Gott sein. So kehrte ich mich von der Kirche ab und blieb bei meiner eigenen Version von Gott.
Mit Jesus Christus und dem Heiligen Geist konnte ich lange nichts anfangen. Ich hielt diese Bezeichnungen für selbsterschaffene Konstrukte der Kirche und tat sie ab.
Meine lange Suche nach dem Sinn des Lebens und nach innerer Verbundenheit führte mich schließlich 2006 zu dem spirituellen Meisterwerk: Ein Kurs in Wundern. Hier tauchten aber genau diese Begriffe wieder auf: Christus und Heiliger Geist. Letztlich wurden sie meine Schlüssel für die Selbsterkenntnis. Die ersten Studienjahre dieses Kurses haben oft meine schlimmsten Widerstände hervorgebracht, aber letztlich hat mich dieser Kurs in meine Befreiung und in meinen inneren Frieden geführt. Besonders hilfreich war es, dass dieses Buch Psychologie mit Religion verbindet. Diese Mischung packte mich schließlich mit Haut und Haaren. Sie erlaubte es mir, tiefe Einblicke in das menschliche Denken, seine emotionalen Verstrickungen und sein Verhalten zu nehmen.
Ein Kurs in Wundern hat mich wahre Nähe zu mir selbst gelehrt.
Und darum geht es letztlich: Mit sich selbst ins Reine zu kommen, sich selbst mit allen Schattenseiten und Fehlern liebevoll anzunehmen. Erst, wer das kann, wird auch in der Lage sein, wirkliche Nähe zu seinem Partner, seinen Kindern, seinen Eltern, ja, zu jedem Menschen leben zu können. Durch den Kurs habe ich meine unbewussten Begrenzungen aufgelöst. Und ich sage dir, ich hatte am Anfang keine Ahnung, dass ich solche Blockaden überhaupt in mir trug. Der jahrelange Prozess hat die Hindernisse, die mich von der inneren Liebe und meiner eigenen Wirklichkeit ferngehalten hatten, ganz allmählich und behutsam aufgelöst.
Solange wir Menschen nicht wissen und anerkennen, dass wir die AUSDEHNUNG DER QUELLE sind, erschaffen wir immer wieder Umstände, die uns eingrenzen und behindern (durch trennendes Denken). Wir werden uns leer, traurig und abgeschnitten fühlen. Überall suchen wir nach Liebe, ohne zu wissen, dass wir selbst Liebe sind.
Fazit: Die Sehnsucht nach wirklicher Nähe war immer schon da. In den dunklen Zeiten unserer Geschichte war diese Sehnsucht zugedeckt von Gewalt, Unterdrückung und Widerstand. Erst als immer mehr Menschen den Willen entwickelten, sich aus Sklaverei, Folter und Diktatur zu befreien, tröpfelte allmählich Weichheit und Sehnsucht nach Liebe und Verschmelzung in die Welt. Die Evolution führte uns schließlich über die Nähe und das Mitgefühl zu anderen Menschen zur Verschmelzung mit uns selbst. Hier stehen wir nun und wachsen Schritt für Schritt in die Erinnerung und damit in unsere Selbsterkenntnis hinein. Denn das ist unsere größte Sehnsucht und das Ziel unserer ewigen Suche.
Love & Namasté
Deine Gitte