Gitte Malou Weiß

Gitte Malou Weiß

Bewusstseinswandel

Innere Stille weiß

Worte aus der inneren Tiefe

Was ist die größte Angst des Menschen?

WAS IST DIE GRÖßTE ANGST DES MENSCHEN?

'Die größte Angst des Menschen'? Das ist doch leicht zum beantworten, dachte ich. Ticken wir nicht alle gleich bei diesem Thema?

Meine Freundin und ich hatten uns zum Laufen verabredet. „Wo wollen wir denn joggen? Am besten im Wald, oder?“ fragte ich. Ela blickte mich entsetzt an. Da fiel es mir wieder ein: Sie fürchtet sich im Wald, im Park, im Dunkeln und, und, und. Später nach dem Duschen fragte ich mich: Was ist die größte Angst des Menschen? Geht es ihnen so wie mir oder sieht es in ihrem Inneren ganz anders aus?

Wovor habe ich eigentlich Angst? Der Tod ist es nicht, denn ich bin sicher, dass er nur eine Tür zwischen zwei Leben ist. Habe ich überhaupt Ängste? Tja, seitdem ich mich mit Selbstreflexion beschäftige, sind sie mir größtenteils bewusst geworden. Viele Blockaden konnte ich bereits auflösen. Ja, dennoch bin ich auch nur ein Mensch. In stressigen Situationen oder wenn ich mich angegriffen fühle, kann es passieren, dass kleinere oder auch größere Ängste hochkochen, die mir zuvor noch nicht bewusst waren. Das kennt fast jeder. Doch was ist die größte Angst des Menschen?

Ich wollte nicht nur Rätselraten. Also startete ich im Bekannten- und Freundeskreis eine kleine, höfliche Umfrage per WhatsApp. Ich hatte circa fünfzig Personen ausgewählt. Nach den persönlichen Ängsten fragte ich nicht, sondern danach, was die größte Angst des Menschen nach Meinung meiner Bekannten sein könnte. Noch am gleichen Tag trudelten die ersten Antworten ein. Nach zwei Wochen hatte ich eine bunte Mischung von Antworten. Die am häufigsten genannten Ängste waren:

  • große Schmerzen erleiden zu müssen
  • eine schwere Krankheit zu bekommen
  • einen geliebten Menschen an den Tod zu verlieren
  • selbst zu sterben

An zweiter Stelle waren: die Angst vor Einsamkeit, Kriegen, Katastrophen, Kontrollverlust, Verlust der monetären Sicherheit und die Zerstörung des gewohnten gesellschaftlichen Fundaments. Natürlich hat jeder Mensch verschiedene Ängste und das in ebensolcher Ausprägung. 

Die aktuelle Bedrohung des Corona-Virus lässt uns tiefer, denn je in die angstvollen Augen der Gesellschaft blicken.

Normalerweise unterdrücken die meisten Menschen ihre größten Ängste. Sie sind ihnen nicht bewusst. Doch jetzt in der Pandemie Covid 19 kann die breite Masse der Gesellschaft ihre Angst nicht mehr verstecken. Wie eine eitrige Wunde bricht sie offen hervor und macht sich in Beschuldigungen, Verurteilung und Misstrauen breit. Natürlich werden wie immer Schuldige gesucht. Und weil man diese nicht finden kann, bekommen eben die beteiligten Organisationen, Virologen und Politiker die Mäntel der Schuld umgehängt. Es ist sicher nicht einfach, die unruhige Masse Mensch, die immer eine hochexplosive Ego-Mischung für den Landes- und Weltfrieden darstellt, so zu lenken, dass sie sich selbst nicht zerstört. 

Was genau nehmen wir hier wahr? Es geht hier nicht um die kleineren und größeren Existenzängste, auch wenn es so scheint. Die Angst vor dem Tod steht im Vordergrund. Es ist der Umstand, dass einfach alles zusammenzukrachen droht und damit auch die eigene Existenz. Der Gedanke an die Zerstörung der gewohnten Lebensweise und dass es auf keinem Fleckchen Erde eine Ausweichmöglichkeit gibt, ist niederschmetternd. Kriege befassen sich immer nur mit einem Teil der Welt.

So mancher aufmerksamer Beobachter fragt sich: "Spiegelt der Ausbruch des Corona-Virus vielleicht unsere tiefste Angst?"

Die Covid-Pandemie brachte unsere größte Angst hervor.Der Corona-Virus bedroht scheinbar alles. Aber gerade der Umstand, dass jeder Mensch auf diesem Erdball betroffen ist, lässt die Panik in den Hintergrund treten und viele einen kühlen Kopf bewahren. Auch ich führte mehrere Gespräche in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Viele hatten eine vernünftige Einstellung zu der augenblicklichen Lage. Zwei meiner Freundinnen und ein guter Bekannter aber gaben ihre große Angst zu. „Was soll nur aus uns allen werden? Alles bricht zusammen. Nichts wird mehr sein, wie vorher.“

Nun, ich bin kein Freund von begrenzenden Hiobsbotschaften, aber ich spürte, dass sich diese Menschen tatsächlich vor einen Weltuntergang fürchteten. Aber was ist ein Weltuntergang? Es ist doch nichts weiter, als das Loslassen des jahrtausendealten begrenzten Denksystems und das Erblühen einer neuen, liebenden und wertschätzenden Sichtweise. Mit Furcht und Widerstand hat noch niemand etwas erreicht. Wir haben aus vielen Katastrophen, Epidemien und Kriegen gelernt. Inzwischen ist es ein Jahr her, dass es die ersten Coronaschutz-Beschränkungen gab. Wir alle haben uns daran gewöhnt, öffentlich eine Atemschutzmaske zu tragen und nehmen es mit einiger Gelassenheit. Die ersten Impfungen wurden erfolgreich durchgeführt und viele Erkrankte gesunden wieder vollkommen.

Ja. Es gibt auch jene, die alles nur für einen großen Witz halten, einen Fake und mit Widerstand, Angriff und heftigen Verurteilungen reagieren. Doch gerade bei diesen Zeitgenossen spiegelt sich vor allem eins: die blanke Angst. Doch wo kommen sie eigentlich her, unsere Ängste?

Oft sorgen schlechte Erfahrungen in der Kindheit und Jugend für die Entstehung von Angst.

Diese wirken sich in der Regel bis weit in das Erwachsenenalter hinein aus, wenn nicht gar im gesamten Leben. Es können sowohl einfache Prägungen aus dem Elternhaus sein, als auch ganz schlimme Erlebnisse. Als Kind und als junge Frau hatte ich auch mit einigen Ängsten zu kämpfen, die mir durchaus bewusst waren. Ich fürchtete mich vor Spinnen. Besonders die etwas größeren mit den behaarten Beinen konnte ich nicht ausstehen.

Überall liefen sie mir über den Weg. Hob ich einen Tischtennisball vom Rasen auf, saß ich mit einem Buch unter einem Baum oder suchte im Keller nach einem Glas Marmelade, jedesmal krabbelte mir eine Spinne entgegen. Einmal riss ich als Zehnjährige beim Abendbrot beinahe den Tisch um, weil ich mich vor einer Spinne retten wollte. Bewusste Ängste haben den Nachteil, dass sie häufig die Angstauslöser selbst ins Leben rufen. Wir fokussieren uns so stark auf unseren Widerstand, dass hier das Gesetz der Anziehung greift.

Der Vorteil ist allerdings, dass sie uns offen ins Auge fallen und wir so die Chance haben, etwas zielgerichtet zu verändern.

Für unsere unbewussten Ängste sind wir blind.

Erst, wenn uns andere direkt oder durch ihr Verhalten darauf aufmerksam machen, haben wir die Möglichkeit mit unserer Furcht zu arbeiten. Will denn jeder Mensch an seine verborgene Angst erinnert werden? Die meisten wohl nicht. Wer ist schon bewusst genug, sich mit seinen inneren Schattenseiten zu beschäftigen? Viele Menschen tun alles, um ihre schmerzhaften Emotionen bloß im Dunkeln zu belassen. Sie wollen nicht an etwas erinnert werden, das sie mühsam verdrängt haben. Und wenn die Ängste doch mal von innen anklopfen, weiß doch jeder, wie er sich am besten ablenken und betäuben kann. Durch 

  • exzessives Freizeitvergnügen
  • überzogenes Konsumverhalten
  • ständige Überstunden im Beruf
  • Alkohol, Zigaretten
  • sonstige Süchte

Die ganze Welt ist voll von Menschen, die vor ihren „schlechten“ Gefühlen davonlaufen und ihre Ängste verdrängen.

Ein harmloses Ereignis offenbarte mir eine besonders tiefsitzende Angst.

Auch mir erging es nicht anders. Vor einigen Jahren, als ich schon lange auf dem spirituellen Weg war, wurde ich mit einer besonders tiefsitzenden Angst konfrontiert. Mein Lebensgefährte und ich waren erst seit kurzem zusammen. Wir waren auf dem Weihnachtsmarkt. Es war früher Abend und schon dunkel. Die Adventsbeleuchtung funkelte im Getümmel und warf bizarre Schatten. Vor einem großen Kaufhaus blieb mein Freund stehen und sagte: „Schatz, ich geh da mal rasch alleine hinein. Ich will nur etwas für dich abholen und das sollst du noch nicht sehen. Ich komme gleich wieder.“ Er zwinkerte mir zu.

Etwas Dunkles kroch in mir hoch. Mein Herz raste. Meine Gedanken überschlugen sich: Und wenn wir uns verpassen? Wenn er mich nicht findet? Hier sieht doch alles gleich aus. Die vielen Menschen, da könnte er mich übersehen.

Ich behielt den großen Eingangsbereich im Auge und beobachtete angestrengt, wie die Menschen hinein- und hinausdrängten. Jeden männlichen Besucher nahm ich genau in Augenschein, damit ich meinen Liebsten bloß nicht verpasste. Plötzlich hielt ich inne. 

Meine Güte? Was mache ich hier eigentlich? Ich habe mein Handy, meinen Autoschlüssel und genug Geld. Ich kann ihn jederzeit anrufen oder nach Hause fahren. Außerdem bin ich in meiner Heimatstadt und nicht mitten in New York.

Ich schämte mich meiner Ängste.

Wenn wir aufmerksame Selbstbeobachter werden, können wir alle Ängste und Blockaden auflösen.

Anstatt also mit Herzrasen und Gedanken des Kontrollverlustes zu reagieren, können wir mit Klarheit, Ruhe und Entspannung auf die Angst reagieren. Wichtig ist allerdings, dass wir bereit sind, aus höherer Perspektive nachdrücklich auf die eigentliche Ursache unserer Angst zu blicken.

Schwere Traumata in der Kindheit verbergen oft die größte Angst.

Und so sah ich mich erneut als knapp Zweijährige in einem großen Gebäude, in dem alles gleich aussah. Kahle Wände, weißbekleidete Menschen und viele Türen. Meine Eltern beugten sich zu mir hinunter und sagten: „Kleines, wir gehen mal kurz zu dem Onkel in das Zimmer. Du kannst ja in der Spielecke solange spielen.“

„Wir kommen gleich wieder!“

Sie kamen nicht. Später glaubte ich, sie hätten mich verloren oder vergessen. Ich blieb ohne die Liebe und Fürsorge meiner Eltern zurück.  Ich weinte und schrie wochenlang nach ihnen. Meine Verzweiflung schlug im Laufe der Wochen und Monate in Apathie um. Ohne meine Eltern wollte ich nicht mehr sein. Ich ließ alles los: meine Schmerzen, meine Traurigkeit, meine Eltern, mein Selbstbild, meine Erinnerungen und meinen Körper. Urplötzlich fand ich mich an der Zimmerdecke des Raums wieder und blickte auf den kleinen Kinderkörper unter mir. Ich fragte mich, wenn ich hier oben bin, was ist dann das da unten?

Außerhalb meines Körpers war keine Verzweiflung, kein Schmerz und keine Einsamkeit. Da war nur Liebe.

Eine Liebe, wie sie nicht von dieser Welt sein kann. Sie nahm mich in sich auf und durchdrang mich ganz und gar. Ein Gefühl voller Leichtigkeit und Heimat. Diese Sekunden-Erfahrung außerhalb meines Körpers hat mein ganzes Leben geprägt. Sie zeigte mir, dass ich kein Körper bin. 

Irgendwann waren meine Eltern wieder da und holten mich nach einem halben Jahr Einsamkeit im Krankenhaus zurück nach Hause. Damals war es nicht erlaubt, dass Eltern ihre Kinder in Kliniken besuchten. Welch Trauerspiel für viele verstörte Kinderherzen. Meinen tiefen Schmerz hatte ich verdrängt. All die Jahre. Ich hatte ihn nie ernstgenommen. Hatte ich mich selbst überhaupt jemals ernstgenommen?

Der Zwischenfall auf dem Weihnachtsmarkt ist nun einige Jahre her. Seitdem sorge ich für mein inneres Kind. Dies ist ein psychologischer Begriff, der tief unbewusste Persönlichkeitsanteile des Menschen bezeichnet. Dieser Teil von uns ist es, der verdrängt und verleugnet wird und DADURCH für Leid und Krankheit sorgt. Ich gebe jetzt diesem Teil in mir meine volle Aufmerksamkeit und damit Annahme und Geborgenheit. Immer wieder. So oft es nötig ist. Vielleicht ein Leben lang. Das tut mir unendlich gut, denn ich spüre, wie mein Herz immer weicher und empfänglicher für mich selbst wird.

Ist die größte Angst des Menschen, sein gewohntes Ich aufzugeben?

Die größte Angst des Menschen ist wohl seine Furcht vor Veränderung der eigenen Persönlichkeit. Wir wertschätzen das Bild, das wir von uns selbst haben, denn es gibt uns Sicherheit und Beständigkeit. Die meisten Menschen wollen das Selbstbild hüten, mit dem sie sich identifizieren.

Die größte Angst des Menschen ist die Angst vor Veränderung.Sicher, da ist etwas Undefinierbares in uns, dass sich immer wieder bemerkbar macht, sich mit einer sanften Stimme meldet und nach uns ruft. Doch wir hören nicht, denn es ist das Unbekannte in unserer eigenen Tiefe, das wir am meisten fürchten. Zu diesem Ergebnis bin ich letztlich durch die Fragerunde gekommen. Die offenen und bereitwilligen Antworten der Befragten haben allerdings nicht so sehr dazu beigetragen, wie die Nicht- und Ausweichantworten vieler Angeschriebener!

Ungefähr fünfzehn Personen haben überhaupt nicht geantwortet, obwohl sie gute Freunde und sehr zuverlässig sind. Keine Zeit? Keine Lust? Oder Frust? Vielleicht habe ich auch zu tief gegraben und an Mauern gerüttelt, die nicht so fest sind, wie sie erscheinen. Einige meiner Freunde haben mir ganz klar gesagt, dass sie nicht über ihre Ängste nachdenken oder sprechen wollen (ups…ich hatte nicht nach ihren Ängsten gefragt, sondern nach ihrer Meinung über die größte Angst des Menschen!). Zwei oder drei andere meinten, man solle nicht über Ängste nachdenken, sondern sich lieber ein kühles Bierchen gönnen, sich Witze erzählen oder guten Rock hören. Wie dem auch sei, allein das Nachdenken über die Ängste der Allgemeinheit scheint bei manchen Zeitgenossen die eigenen schon heftig nach oben zu spülen. Und einigen Widerstand noch dazu.

In dem wunderbaren Text über "Unsere tiefste Angst " von Marianne Williamson kann ich versinken:

„Unsere tiefste Angst ist nicht, dass wir unzulänglich sind. Unsere tiefste Angst ist, dass wir unermesslich machtvoll sind. Es ist unser Licht, das wir fürchten, nicht unsere Dunkelheit. Wir fragen uns: Wer bin ich eigentlich, dass ich leuchtend, hinreißend, talentiert und fantastisch sein darf? Wer bist du denn, es nicht zu sein?

Du bist ein Kind Gottes. Dich selbst klein zu halten, dient nicht Welt. Es hat nichts mit Erleuchtung zu tun, wenn du dich kleiner machst, damit andere um dich herum sich nicht verunsichert fühlen.

Wir sollen alle strahlen wie die Kinder. Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes zu verwirklichen, die in uns ist. Sie ist nicht nur in einigen von uns; sie ist in jedem Einzelnen. Und wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen, geben wir unbewusst anderen Menschen die Erlaubnis, dasselbe zu tun.

Wenn wir uns von unserer eigenen Angst befreit haben, befreit unsere Gegenwart andere ganz von selbst.”

Marianne Williamson

Ich denke, dass die meisten Menschen sich tatsächlich vor gravierenden Veränderungen fürchten, nämlich solche, die das ganze Leben und Erleben umkrempeln. Sie sehen noch nicht, dass durch große Umwälzungen auch immer neue Möglichkeiten geboren werden und Besseres entstehen kann. Das ist übrigens Evolution! Schon immer. 

Fazit: Auch wenn wir die Angst nicht mögen, können wir ihr überaus dankbar sein, denn sie zeigt uns auf, dass da etwas in uns ist, das wahrgenommen werden und heilen will. Angst ist ein Wecker, der uns aufruft nach innen zu schauen. Und damit offenbart uns dieses beklemmende Gefühl einen Weg, vollkommen frei und glücklich zu werden.

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