Spirituelle Prosa

Lass dein Herz weiten und deinen Geist fliegen

Aus den Augen verloren

Es ist so eine Sache mit Bekannten, weit entfernten Verwandten, alten Freunden und uns einst wichtigen Menschen. Die persönlichen Kontakte scheinen sich zu verlieren, je mehr Zeit und Raum die Menschen trennen.

Ist dem wirklich so?

Ich denke der Grund, warum sich Kontakte lösen, liegt begründet im stetigen Wandel. Der Mensch ist von Natur aus ein Wesen, das sich weiterentwickeln und wachsen will. Doch es gibt auch jene, die darauf plädieren, ein Gewohnheitstier zu sein. Sie sind, wie sie sind und wollen so bleiben, Veränderungen können sie überhaupt nicht leiden. Sie sind nicht bereit, authentische, ehrliche Gespräche zu führen. Sie scheuen sich ihr Herz zu öffnen, weil sie glauben, ihren wertvollsten Schutz zu verlieren.

Auf einer tiefen, ehrlichen Kommunikationsebene kann ich keinen Menschen aus den Augen verlieren.

Jedes Wesen obliegt der Veränderung, genauso wie alles andere in dieser Welt.

So kommt es durchaus häufiger vor, dass ein Mensch sich plötzlich öffnet und an tiefen Gesprächen Gefallen findet. Und vielleicht erkennt er ir- gendwann die Überzeugung eines guten Bekannten als stark begrenzende Sicht und empfindet den Kontakt nicht länger als ein ihn bereicherndes Licht.

Jeder kennt das.

Auch wenn wir uns zu Beginn unseres Rückzuges ein wenig schuldig fühlen, so, als ließen wir den anderen im Stich, so wissen wir dennoch, dass das Leben selbst es liebt sich zu befreien und sich Zeit und Raum für seine Entfaltung zu leihen. Auf meinem Weg habe ich tausend Fragen gestellt und unzählige Schriften studiert.

Ich habe in Psychologie, Philosophie, Physik und in den verschiedensten Religionen viele Schätze entdeckt. Sie alle haben mir hilfreich gedient, um nach innen zu blicken und das Große Ganze zu sehen und um mit meinen Gedanken und meinen Gefühlen achtsamer umzugehen.

Der Bhagavad Gita, dem mythisch-spirituellen Werk Indiens, habe ich vor einiger Zeit, ruhig und besonnen zwei wertvolle Empfehlungen für ein glückliches Leben entnommen:

Du solltest an nichts und an niemandem haften. Du solltest nichts
und niemanden ablehnen.

Also stelle ich mir ganz einfach folgende Fragen, in jedem Moment meines Lebens, meines Sehnens, meines Denkens und meines Tuns: Wo habe ich mich gefangen gesetzt, indem ich an etwas oder an jemandem klebe? Welche Überzeugung kann ich gehen lassen, welche Gedanken befreien? Welches Urteil habe ich gefällt und damit meinen Nächsten und auch mich selbst an die Wand gestellt? Was mag ich nicht und weise es von mir, wen schließe ich aus meinem Herzen aus?

Diese Fragen helfen mir, ehrlich und aufmerksam zu sein und mir in jedem Moment bewusst zu werden, wann ich mich wieder verlaufen habe im dichten Ego-Dschungel. Es mag etwas anstrengend wirken sich auf diese Weise ständig selbst zu betrachten. Doch ich sag dir an dieser Stelle, durch das aufmerksame Schauen wird sich in dir immer mehr Liebe, ja, Frieden aufbauen.

Regelmäßig kommen mir Menschen in den Sinn, ganz gleich, ob sie noch im Körper weilen oder längst gegangen scheinen. Ein alter Freund, die Großmutter, ein Lehrer oder ein verflossener Verehrer, eine enge Freundin von einst, der nette Kollege mit dem langen Bart oder mein erster Spielkamerad.

In meinem Geiste kann ich jeden vor mir sehen und mich verbinden, mich selbst sogar in ihm wiederfinden. Ich brauche kein Foto, kein äußeres Bild, denn jeder scheint in mir zu sein. Mit meinen Visionen kann ich jeden Ablauf, jede Szene erneut zum Leben erwecken und tiefe Gefühle der Freude, ja der Dankbarkeit entdecken. Ich sehe sein Lachen und höre seine Stimme und kann ihn fühlen mit jedem meiner Sinne. Ich sehe auch die, die mich einst verletzten, mir schwere Steine in meinen Weg rollten und ich weiß jetzt, dass sie mir niemals Böses wollten. Sanft flüstern sie mir dann zu: „Ich war es nicht, der dich begrenzte. Du warst es selbst, nur du.“

So kann alles heilen, wenn ich mich verbinde, mit jedem, der da ist.

Jede Begegnung, die jemals war, die ist und die noch kommen mag, wärmt meine Seele, leuchtet in mir wie ewig brennende Kerzen.

Aus den Augen verloren vielleicht, aber niemals aus meinem Herzen.

© Gitte Malou Weiß

Gedanken sind Energie

Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, dass das, was du siehst und das, was du denkst unmittelbar im Zusammenhang zueinander steht? Hier stellt sich doch die Frage: Was war zuerst da? Das Huhn oder das Ei?

Der Gedanke oder die Form?

Natürlich war der Gedanke zuerst da. Er ist Geist in Aktion.

Alles ist Geist. Wie die Physik lehrt, sind alle Formen, alle Manifestationen reine Energie. Selbst ein Stein, ein Auto oder ein menschlicher Körper erscheint nur fest, in Wahrheit steckt hinter allem vibrierende, mehr oder weniger geballte Energie. Materie entsteht durch den Fokus und die Konzentration des Geistes: das Denken.

Alles, was du siehst und anfassen kannst, ist eine Illusion des Geistes. Göttliches Spiel.

Der Mensch besitzt als Ausdehnung der einen Quelle die Fähigkeit klar zu denken und ethisches Verständnis zu entwickeln. Die verborgenen Kräfte und Potenziale unseres Geistes sind ein Erbe Gottes. Nur leider ist sich nicht jeder dessen bewusst.

Es sind die unwissenden Menschen, die sich getrennt fühlen. Wer nicht weiß, dass er selbst eine Ausdehnung Gottes ist, kann sich ja nur allein fühlen! Er hat sich von seiner Ursache abgeschnitten.

Das macht Angst. Furchtbare Angst!
Was sonst?
Und folgerichtig erfährt er Mangel, Depression, Krankheit, Drama, Streit, Angriff und alle Leidensaspekte eines begrenzten Lebens. Wie könnte es auch anders sein? Wer die Geschenke des Le- bens nicht auspackt, kann nicht glücklich werden. Was glaubt er denn, was sich hinter den göttlichen Gaben verbirgt? Der Teufel selbst?

Deine innere Präsenz ist ruhig und klar. Sie fürchtet sich nicht. Es ist dein Ego, das sich um sein Leben fürchtet. Ihm ist klar, dass es kleiner wird, seine Macht verliert oder sich auflöst, wenn du zurückfindest in deine wahre Identität.

Es sind diejenigen, die genug haben vom ewigen Leiden und reichlich Mut und Neugier in sich tragen, um das Alte und Vertraute loszulassen und sich der tieferen, inneren Weisheit zuwenden. Sie reihen sich ein in die Gruppe von Männern und Frauen, die bereits vor ihnen diesen Weg gegangen sind. Ein Weg, der von anderen belächelt oder angefeindet wurde, der aber letztlich der gesamten Menschheit dienlich ist. Er führt in die Freiheit.

Sie sind die Erbauer einer neuen Welt, eines neuen Zeitalters, eines fantastischen Lebens und sie werden immer zahlreicher. Sie erschaffen den Himmel auf Erden. Und womit? Mit ihren Worten oder ihren Händen?

Nein.

Einzig mit der Kraft ihrer liebevollsten Gedanken und ihrer achtsamsten Visionen. Sie stellen sich eine Welt vor, in der alle Menschen ihre Einheit erkennen und ihre heilige Wirklichkeit annehmen. Sie sehen förmlich vor ihrem inneren Auge, wie sich Liebe, Achtsamkeit und ethisches Verständnis ausdehnen und jeden Menschen berühren. Sie können große Umwälzungen einleiten, indem sie den Bewusstseinswandel in der Gesellschaft sehen. Und sind wir nicht mitten drin, im Wandel?

Alles, was auf Erden Leid erschafft, wird bereits seit langem beleuchtet und verändert.

Schau hin!

Die Wegbereiter zweifeln nicht an der Menschheit. Sie tragen ihr kostbarstes und liebevollstes Gedankengut in die Welt. Sie wissen sicher, dass jeder andere diese Werte ebenfalls in sich trägt und sind getrost: Wenn die Zeit dafür reif ist, wird jeder Mensch selbst sein Bewusstsein zur vollen Blüte bringen.

Sie wissen um den Schöpfungsprozess, also denken sie das, was hilfreich ist.

Denkst du hilfreich?

© Gitte Malou Weiß

Das Leiden aufheben

Um unser Leid zu verwandeln, müssen wir zunächst anerkennen, dass es da ist.

Solange wir unser Problem, unsere Angst und unseren Schmerz betäuben oder nicht beachten, kann sich unser Leid nicht auflösen.

Sobald wir uns aber unserem Leiden aufmerk- sam zugewendet haben, sollten wir seine Ursache, seine Wurzeln ergründen. Indem wir in die Stille gehen und dort tief in unser Leid hineinspüren, hineinatmen und aufmerksam lauschen, werden wir die geistigen und materiellen Dinge aufspüren, von denen wir uns nähren und die dazu führen, dass wir leiden.

Leiden hört auf, wenn wir aufhören, das zu tun, was Leiden schafft. Eine Botschaft, die uns befreien wird, wenn wir bereit sind, Verantwortung für uns selbst zu übernehmen.

Zum Beispiel könnte ein Mann, der unter einer lieblosen Ehe leidet, seine Frau verlassen.

Ist es so einfach? Oberflächlich betrachtet, ja.

Doch der Schein trügt, er würde sich langfristig auch ohne seine Frau nicht wirklich besser fühlen.

Es hat einen Grund, warum ein Paar eine lieblose Beziehung führt. Beide Menschen sind dafür verantwortlich und sollten die Gründe für die mangelnde Liebe natürlich bei sich oder besser gesagt, in sich selbst suchen. Sie könnten sich folgende Fragen stellen: Gebe ich mir selbst genug Liebe und Aufmerksamkeit? Ehre und achte ich mich als wundervolles Wesen? Zeige ich mir selbst meine Wertschätzung? Warum habe ich Angst davor, mich meinem Partner vollkommen offen und echt zu zeigen? Was fehlt mir, um glücklich oder zufrieden zu sein?

Wir sehen, in diesen Fragen ist eine Menge Wachstumspotenzial enthalten, sowohl für Beziehungen, als auch für Singles.

Es gibt nicht gerade wenige Menschen, die ihre persönlichen seelischen Blockaden auf ihren Partner projizieren.

Er ist schuld daran, dass es mir so schlecht geht. Ohne ihn wäre ich viel glücklicher.

Andererseits glauben viele Singles, dass sie sich wesentlich besser fühlen würden, wenn sie endlich ihren Wunschpartner gefunden hätten.

Wenn ich erst meine Traumfrau gefunden habe, dann sind all meine Probleme gelöst. Dann bin ich angekommen.

Die eine wie die andere Behauptung ist nichts als ein Trugschluss, ein Tagtraum, der jeden Abend wie eine Seifenblase zerplatzt und hoffnungsvoll beim Aufwachen neu geformt wird.

Es spielt keine Rolle, ob du einen Partner hast oder nicht. Du kannst mit niemandem glücklich sein oder werden, wenn du es nicht tief in dir bereits bist. Es ist die Beziehung zu dir selbst, die du heilen musst, um inneren Frieden und Erfüllung zu erlangen.

Und doch dienen uns alle Beziehungen, um zu wachsen und uns weiterzuentwickeln. Sieh dich um in deiner Familie, bei deinen Freunden, Nach- barn, Kollegen und zufälligen Begegnungen, sie alle tragen in sich das Potenzial, dich bei deiner Verwandlung, deiner Heilung, zu unterstützen.

Du musst diese Menschen nicht einmal mögen, um von ihnen zu lernen und durch sie zu wachsen. Alles, was uns in den vielfältigen Beziehungen und Begegnungen unseres Lebens, gleich welcher Art, an anderen Menschen stört, sollten wir daher genau unter die Lupe nehmen.

Es offenbart sehr wenig über den anderen, dafür umso mehr über uns selbst. Es ist meist unser eigener Mangel an Offenheit, der uns lähmt. Es ist unsere Angst vor Verlust und Veränderung, die uns im Weg steht. Es sind unsere Urteile und Vorbehalte, die sich zwar gegen andere richten, aber uns selbst meinen. Immer noch haben viele Menschen den Drang, an ihrer gewohnten Denkweise festzuhalten, anstatt sie zu hinterfragen.

Sie bleiben lieber in der vertrauten Hölle hocken, als sich dem unbekannten Himmel anzuvertrauen, der ihre wirkliche Heimat ist. Freude ist die natürliche Folge von Hingabe, Wachstum und Verwandlung. Leiden ist die natürliche Folge von Stillstand, Angst und Widerstand.

Nimm also alles an, was sich dir zeigt. Bleib ruhig und gelassen. Betrachte es mit neutralem Blick und umgib es nicht mit einer Geschichte.

Werte nicht! Interpretiere nicht!

Selbst, wenn du etwas oder jemanden nicht magst, nimm es oder ihn dennoch als vorhanden an, achte und bestätige seine augenblickliche Existenz. Auf irgendeine Art und Weise, die dir jetzt noch nicht bewusst ist, hast du jedes Ding, jeden Umstand und jede Person selbst in dein Leben gezogen.

Also lass deinen Widerstand los!

Das, was dann zutage tritt, sind die größten Geschenke des Lebens.

Wer seinen Widerstand gegen das fallenlässt, was ist, der kann nicht leiden!

© Gitte Malou Weiß